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Die Ethik-Kommission des Dachverband Tanz Deutschland DTD

Es gibt keine machtfreien Räume - auch nicht im Tanz. Als Kunstform, in der der Körper im Zentrum steht, bedarf der Tanz besonderer Aufmerksamkeit. Die Beschäftigung mit der Thematik Macht und Machtmissbrauch im Tanz ist daher essenziell.

Der Dachverband Tanz Deutschland hat die Problematik von Machtmissbrauch, Grenzüberschreitung und Diskriminierung (wie sexuell, rassistisch, ethnisch, Körper, Verträge) erkannt. Er installierte vor vier Jahren eine Ethik-Arbeitsgemeinschaft mit dem Ziel, Unterlagen für eine zukünftige Ethik-Kommission zu entwerfen. Im November 2021 wurde die Ethik-Kommission offiziell eingerichtet.

Die Kommission besteht aus acht Mitgliedern, paritätisch gewählt von der MV und vom Vorstand des DTD, einer Verbindungsperson zum DTD sowie einer Mitarbeiterin des DTD-Teams, welche administrativ unterstützt. Die Mitglieder bringen wichtige unterschiedliche Expertisen mit: juristische, theoretisch-wissenschaftliche, medizinisch-psychosomatische, mental und physisch gesundheitliche, tanzkünstlerische (urbaner, klassischer, zeitgenössischer und afrikanischer Tanz), gewerkschaftliche, tanzpädagogische und tanzforschende. Alle arbeiten ehrenamtlich, sie erhalten ein Sitzungsgeld.

Als erste Aufgabe stand eine Recherche an: Inwiefern sind Arbeitsbedingungen im Bereich Tanz bereits erforscht? Welche persönlichen und beruflichen Rechte haben Beschäftigte im Bereich Tanz? Welche Studien zu Ethik, Machtmissbrauch und Tanz liegen vor? Für diese Recherchen waren die unterschiedlichen Expertisen sehr hilfreich. Daraus ergaben sich Themenfelder, die in Untergruppen systematisch bearbeitet werden. Konkrete Ideen flossen in die Kommissionssitzungen ein und wurden gemeinsam weiterbearbeitet.

Im Juni 2023 konnte die Kommission mit einem ersten Ergebnis an die Öffentlichkeit treten: das Online-Portal wurde aufgeschaltet. Zentral für die Kommission sind deren Ethikleitlinien (s. https://www.dachverband-tanz.de/ueber-uns/ethik-kommission). Das Online-Portal ist in zurzeit sechs Bereiche unterteilt. Der Bereich Materialien enthält Informationsmaterial über rechtliche, strukturelle, vertragliche Grundlagen sowie praktische Handlungsanweisungen und eine Sammlung wertvoller Quellen.

Recherchen haben gezeigt, dass der Institutionalisierungsgrad in Ausbildungsinstitutionen besonders hoch ist und zu Konflikten führen kann. Mit einem Online-Test lädt die Kommission zur Selbsteinschätzung ein, die die Tanz-Organisationen für die hausinterne Entwicklung diskriminierungsarmer Strukturen nutzen können.

Unter Good Practice Beispielen werden Institutionen und ihre jeweils konkreten Maßnahmen diskriminierungssensibler, demokratischer und arbeitnehmer*innenfreundlicher Strukturen in einem ca. 15-minütigen Video vorgestellt.  Die Videos, die in regelmäßigen Abständen gelauchnt werden, enthalten eine kurze Einleitung in das Thema und seine rechtlichen und politischen Implikationen sowie ein Interview mit einer*einem Alltagsexpert*in.  Anwendung und Praxis diskriminierungssensibler Maßnahmen, Herausforderungen und Lösungsansätze stehen im Vordergrund.

Mit der Liste branchenspezifischer, bundesweiter wie regionaler Anlaufstellen wird aufgezeigt, welche Beratungsmöglichkeiten bereits existieren; die Liste wird laufend erweitert.

Das Forum öffnet einen Raum für eigene Erfahrungen sowie den Austausch unter Tanzinteressierten und Betroffenen.

Schließlich werden unter Termine Veranstaltungen rund um das Thema Ethik und Tanz angekündigt. Im Aufbau befindet sich der «Reisende Salon», ein Format, respektvollen Austausch und Diskurs in der Szene in einem informellen Rahmen und in regelmäßigen Abständen an unterschiedlichen Orten zu einem ausgewählten Thema zu fördern.  

Die Ethik-Kommission strebt mit ihrem Wirken einen Beitrag zu vermehrter Transparenz an. Sie will Grundlagen zu bewusstem ethischem Handeln legen, um für unzulässige Grenzüberschreitungen zu sensibilisieren bzw. zu vermeiden und die Wertschätzung aller im Tanz Tätigen zu steigern. Die Herausforderungen werden sein, Schutz und Anonymität zu gewähren sowie eine Niedrigschwelligkeit für Betroffene zu ermöglichen. Last but not least: das Fass, das die Ethik-Kommission öffnet, muss sie auch bedienen und mit ihren eigenen Ressourcen bewältigen können. Von daher kann sie selbst nicht die Funktion einer Beratungsstelle übernehmen, allerdings nützliche Informationen, Quellen, Verweise und Anregungen anbieten.

Margrit Bischof, August 2023


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