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Nachruf

Zum Tod von Raimund Hoghe
Ein Ruheloser kommt zur Ruhe. Ein Chronist seiner Zeit, ein Beobachter und Deuter seiner Zeit. Einer, der seinen Körper in den Kampf warf. Raimund Hoghe gehörte seit Jahren international zu den wichtigsten Choreograf*innen, die sowohl ästhetisch als auch politisch Maßstäbe setzen. Jetzt ist er im Alter von 72 Jahren überraschend von uns gegangen.

Raimund Hoghe

Raimund Hoghe im Rahmen der Verleihung des Deutschen Tanzpreises 2020 | © Ursula Kaufmann

Ein Ruheloser kommt zur Ruhe. Ein Chronist seiner Zeit, ein Beobachter und Deuter seiner Zeit. Einer, der seinen Körper in den Kampf warf. Raimund Hoghe gehörte seit Jahren international zu den wichtigsten Choreograf*innen, die sowohl ästhetisch als auch politisch Maßstäbe setzen. Jetzt ist er im Alter von 72 Jahren überraschend von uns gegangen.

Wir wollen mit der Würdigung, die Raimund Hoghe mit dem Deutschen Tanzpreis im letzten Jahr erhalten hat, seiner gedenken:

Einen der treibenden Impulse seiner Theaterarbeit fasste der Choreograf und Tänzer Hoghe mit einem Satz von Pier Paolo Pasolini zusammen: “Den Körper in den Kampf werfen”. In seinem Fall einen Körper, der nicht der Norm oder gängigen Schönheitsidealen entspricht. Seine Stücke reagierten auf die politischen Zeitläufe, ohne dabei jemals die eigene künstlerische Handschrift aus den Augen zu verlieren: Sie widmeten sich brisanten gesellschaftspolitischen Themen wie der deutschen Geschichte, vielfältigen Formen der Ausgrenzung oder der aktuellen Politik, etwa in Europas Umgang mit Geflüchteten. Seine Werke teilen ein Archiv gemeinsamer gesellschaftlicher Erfahrungen, dem sich die eigenen Geschichten der Zuschauer*innen anschließen können. Hoghes künstlerische Arbeit beharrte auf und praktizierte viele Jahre Inklusion und Diversität, ohne unter dieser Flagge zu segeln.

Für seine Kreationen, in denen auf vielfältige Weise getanzt und gesprochen, Musik gehört und agiert wurde, arbeitete Hoghe mit exzeptionellen Tanzkünstler*innen zusammen. Seit den 1990er Jahren prägte er eine ganz eigene Ästhetik und verfolgte sie seither mit einzigartiger Intensität und Konsequenz. Seine hohe Kunst der Achtsamkeit, der gesteigerten Wahrnehmung ermöglichte einen neuen Blick auf den Tanz und war nicht zuletzt ein unablässiges Experiment mit Schönheit. Mit dem Tanzpreis 2020 wurde das Lebenswerk eines Künstlers geehrt, der nie versucht hat, das System zu bedienen, sondern es mit ungewöhnlichem Mut und persönlichem Einsatz zu verändern.

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